Folge 3 Wie operiert man einen Kreuzbandriss?

Du hast Dir Dein Kreuzband beim Sport gerissen. Jetzt ist es kaputt und Du musst dich operieren lassen. Aber wie wird eigentlich so eine Kreuzbandoperation gemacht? In dieser Folge meines Podcast erfährst du wie eine Kreuzbandoperation durchgeführt wird. Keine Angst, kein Blut, sondern ich erkläre nur, wie das Ganze funktioniert.

Kreuzbandplastik oder doch Nähen?

Zuallererst muss mal geklärt werden, ob man wirklich eine sogenannte Kreuzbandplastik braucht oder ob es eventuell stabilisiert werden kann. Ich möchte zuerst auf die deutlich selteneren Techniken der Stabilisierung eingehen. Hier gibt es die Möglichkeiten das Ganze mit unterschiedlichen Nahttechniken zu verstärken, so dass man dann unterschiedliche Bänder in das Kreuzband einnäht. Man macht das Ganze arthroskopisch bzw. minimalinvasiv. Es gibt jedoch auch die dynamische Stabilisierung. Da verwendet man einen Federmechanismus, der bei Spannung des Kreuzbands die Naht entlastet. Aber all das sind ehrlich gesagt Verfahren, die deutlich seltener eingesetzt werden als zum Beispiel die sogenante Kreuzbandplastik. Was eine solche Kreuzbandplastik möchte ich Dir heute mal ein bisschen genauer erklären. Das Ganze ist natürlich nicht aus Plastik, sondern es geht darum, dass man aus einer anderen Sehne oder aus einem Band wieder ein Kreuzband macht.

Kreuzbandplastik aus den eigenen Sehnen

Am häufigsten verwendet werden die sogenannten Hamstring- und die Gracilissehne. Hamstring kommt aus dem Englischen, und übersetzt heißt das „Schinkenzüge“. Warum Schinken? Na weil die vom Schinken bzw. Hintern zum Unterschenkel runterziehen. Man hat diverse Hamstringsehnen zur Verfügung. Hier ist vor allem die sogenannten Semitendinosus- und Grazilissehne von Interesse. Wer von euch nicht Latein und vor allem die anatomische Nomenklatur irgendwann mal gelernt hat, dem wird das relativ wenig sagen. Die am häufigsten verwendete Sehne ist die Semitendinosussehne. Semitendinosus bedeutet übersetzt „Halbsehne“. Dieser Muskel entspringt am Becken und setzt am Unterschenkel auf der Innenseite und zwar ziemlich nah unterhalb des Kniegelenkspalts bzw. ein paar Zentimeter weiter unten auf der Innenseite an. Das ist ein ziemlich langer Muskel. Den Muskel lass ich in Ruhe. Ich möchte vor allem die Sehne klauen. Und wenn ich diese vom Muskel getrennt hab, dann gucke ich wie lang diese Sehne ist. Wenn diese eine gewisse Länge aufweist, dann brauche ich auch keine zweite Sehne. Wäre die Sehne zu kurz, würde ich auf die zweite Sehne, die sogenannte Grazilissehne zurückgreifen. Diese Grazilisssehne, (grazil bedeutet schlank bzw. schmal) werde ich meist gar nicht brauchen. Nur in unter 1 % der Fälle benötige ich eine zweite Sehne.

Beim Abtrennen der Sehne vom Muskel kann es zu einem Bluterguss bzw. Hämatom an der Entnahmestelle kommen. Das ist auch der Grund, weshalb ihr dann nach der Operation genau an der Stelle, wo die Sehne in den Muskel übergeht, ab und an einen blauen Fleck bzw. in Hämatom bekommt. Und das ist genau auf der Oberschenkelrückseite. Manchmal wundert sich der ein oder andere Patient und sagt „Hier wurde ich doch gar nicht operiert?“.Zum Ablösen vom Muskel habe ich ein sehr langes Instrument eingeführt und diese Sehne von dem Muskel abgeschoben. Ich erhalte dann meistens eine Sehne die 28-30 Zentimeter lang ist. Ja, richtig gehört! Eine solch lange Sehnen klaue ich euch. Diese nehme ich dann, um die sogenannte Kreuzbandplastik zu machen. Diese Plastik besteht dann am Ende des Tages aus vier Sehnenstückchen nebeneinander, welche zur Kreuzbandplastik zusammengenäht werden.

Was passiert mit dem Muskel an dem die Sehne entnommen wurde?

Jetzt fragt man sich oft: „Was passiert eigentlich mit der Sehne die geklaut bzw. entfernt wurde? Werde ich dann zum Sportinvaliden oder was passiert damit?“ Keine Angst, wenn man diese eine Sehne entnimmt, dann hat man nach einem Jahr ungefähr 2 % weniger Kraft an eben genau dieser Muskulatur. Es ist nicht so, dass die Sehne wieder komplett nachwächst. Die Entnahmestelle heilt jedoch narbig aus und regeneriert soweit, dass es im Alltag wieder gut funktioniert.  Eine Ausnahme wäre, wenn man ausgeprägte X-Beine hätte. Hier muss man überlegen, ob man nicht vielleicht doch eine andere Sehne, zum Beispiel die Quadricepssehne von der Oberschenkelvorderseite nimmt.

Wie kommt die Kreuzbandplastik in das Kniegelenk rein?

Also nun haben wir eine Kreuzbanplastik, die man irgendwie in das Kniegelenk rein bekommen möchte. Früher hat man das Ganze offen gemacht. Man hat dazu einen großen Schnitt gemacht und das Knie geöffnet. Das braucht man heutzutage nicht mehr. Jetzt gibt die sogenannte Schlüssellochchirurgie. Dies bedeutet, dass man durch ein kleines Loch ins gesamte Knieinnere reingucken kann. Stellt euch einfach das Ganze mit einer Tür und einem Zimmer vor. Ihr guckt durchs Schlüsselloch und könnt alles, was auf der Rückseite ist, komplett betrachten, ohne dass sie ihr die Tür öffnen müsst. Ich muss somit gar nicht das Kniegelenk (bzw. die Tür) komplett öffnen, sondern ich muss nur ein kleines Loch, ein Schlüsselloch, dort hinein machen.

Da reichen mir 9-10 Millimeter große Öffnungen, denn meine Instrumente sind meistens auch genauso groß. Die meisten Kreuzbandplastiken sind zwischen 8-9,5 Millimeter groß, sodass eine Öffnung kleiner als ein Zentimeter auch wirklich reicht, um ein Kreuzband zu operieren. Das Verfahren, mit dem man in ein Kniegelenk hineinschaut nennt man auch Kniegelenkspiegelung. Und damit ist gemeint, dass man das Knieinnere dann auf dem Monitor sieht, den ich im Operationssaal neben dem Operationstisch stehen habe. Im medizinischen Fachjargon heißt das Ganze Kniegelenkarthroskopie, übersetzt „Gelenkspiegelung“.

Bevor man jedoch zu der eigentlichen Befestigung der Kreuzbandplastik kommt, guckt man sich mit der Kamera in dem gesamten Gelenk um. Das ist besonders wichtig. Man sollte sich nicht nur auf die MRT-Untersuchung und die Befundung vom Radiologen verlassen, sondern sich einmal das gesamte Gelenke anschauen. Und diese Inspektion des gesamten Kniegelenks geschieht beim sog. Rundgang. Das heißt, Ich schaue mir das Gelenk von oben bis unten, von vorne bis hinten an. Und noch viel wichtiger als nur einfach rein zu schauen ist auch die zu unterschiedlichen Gewebe, wie zum Beispiel der Knorpel und Meniskus, zusätzlich auch noch dynamisch zu untersuchen und mit einem Tasthaken zu prüfen.

Mein großer Vorteil gegenüber den Radiologen: die sehen nur Bilder. Ich guck mir Bilder an, untersuche die Patienten, zusätzlich hab noch meinen Tasthaken und kann zur Not auch noch mal während der Operation das Kniegelenk bewegen. Hier entdecke ich manchmal einige Schäden die der Radiologe gar nicht sehen konnte. Dann muss ich auch manchmal ein Stückchen mehr operieren als vor der Operation mit dem Patienten besprochen wurde. Ich mach das jedoch immer so, als wäre es mein eigenes Knie. Würde ich für mich entscheiden, dass man mehr als besprochen operieren sollte, dann werde ich es auch beim Patient tun.

Wie wird die Kreuzbandplastik befestigt?

Der Rundgang ist bewältigt. Jetzt habe ich den nächsten Schritt vor Augen: ich möchte diese Kreuzbandplastik da drin befestigen. Das macht man so, in dem man sich die alten Punkte der Kreuzbandanheftung am Knochen aufsucht. Hier ist die Anheftung sowohl am Oberschenkel als auch am Unterschenkel gemeint.  Dann wird zunächst mal ein großer Teil vom gerissenen Kreuzband entfernt. Es gibt auch Techniken, wo man einen noch verblieben, nicht gerissenen Teil, stehen lässt. Hier ist es auch durchaus sinnvoll dies zu tun und gibt die Kreuzbandplastik zusätzlich oben drauf. Bei einem komplett gerissenen Kreuzband entfernt man jedoch die gerissenen Anteile.

Befestigung des neuen Kreuzbands

Als nächstes bohrt man an den vorherigen Stellen Löcher um das Kreuzband in den Knochen hineinzuziehen. Das Einziehen macht man meistens mit einem speziellen Fadensystem, welches nachspannbar ist. Irgendwie muss der Faden jedoch am Knochen beziehungsweise an der Oberfläche vom Knochen befestigt werden. Hier gibt es verschiedene Systeme. Früher hat man Klammern oder Schraubensysteme genommen. Diese waren am Anfang vor allem aus Metall. Dann kam die nächste Generation und das waren selbstauflösende Schrauben. Einige dieser Schrauben hatten Probleme. Gerade beim Auflösen dieser speziellen Zuckerlegierungen gab es dann manchmal größere Löcher. Außerdem habe sie ein optimales Einwachsen des Kreuzbandtransplantats in den Knochen nicht immer zugelassen.

Diese Schrauben, entweder aus Metall oder aus dem sich selbst auslösenden Stoff, müssen immer nur so lange halten, bis das Kreuzband mit dem Knochen verwachsen ist. Dies ist ein weiteres wichtiges Prinzip der Kreuzbandoperation: die Befestigungen dient nicht dazu, dass Kreuzband für immer zu halten, sondern es soll eigentlich das Kreuzbandtransplantat solange dort halten, bis die Verbindung zwischen dem neuen Kreuzband und dem Knochen komplett fest ist.

Heutzutage macht man es ein bisschen anders. Die Knöpfe (bzw. engl. Buttons) am Oberschenkel sind schon lange etabliert. Diese Buttons sind wenige Millimeter große Edelstahlplättchen die man auf den Knochen aufsetzt. An diesem Edelstahlplättchen ist ein Fadensystem befestigt in das man die Kreuzbandplastik einhängt.

Mittlerweile geht man aber auch noch einen Schritt weiter und benutzt diese Buttons nicht nur am Ober- sondern auch am Unterschenkel. Die Besonderheit an diesem Mechanismus ist, dass man die mit den Buttons verbunden Fäden Nachspannen kann. Dadurch lässt sich das Kreuzband auf die gewünschte Spannung bringen. Dies macht man in der Funktionsstellung, also da wo das Kreuzband wirklich wichtig ist, nämlich in der strecknahen Stellung. Dann hat man die Kreuzbandplastik genau an der Stelle stabil, wo man es später beim Sport oder im Alltag auch wirklich braucht.

Eine Kreuzbandoperateur muss trainiert werden

So, jetzt seid ihr selber fast schon Kreuzbandoperateure und wüstet ziemlich genau wie man so ein Kreuzband operiert. Das das ganze natürlich in der Umsetzung extrem schwer ist, ist vielleicht auch jedem klar. Deswegen ist es besonders wichtig, dass man diese Operation übt bevor man sie an einem Menschen durchführt. Es gibt diverse Möglichkeiten wie man sowas übt. Man fängt zunächst mal an einem Modell an. Hier gibt es entweder Plastikmodelle, aber es gibt mittlerweile auch virtuelle Simulatoren. Ich engagiere ich mich sehr in der Ausbildung der Arthroskopeure von morgen, indem ich Ihnen beibringe wie man ein solches Kreuzband oder aber auch einen gerissenen Meniskus operiert.

Außerdem habe ich ein Buch geschrieben „Arthroskopieren Lernen“. Es ist im Elsevier-Verlag erschienen. An dieser Stelle nochmals vielen, vielen Dank an PD Dr. med. Mike Baums mit dem ich dieses Buch zusammen herausgegeben habe. Außerdem einen groß Dank an alle meine Co-Autoren, die geholfen haben, die Ausbildung der Operateure zu verbessern. Wir haben die Operationsschritte sehr plastisch dargestellt und viele, viel Bilder und Videos gemacht, sowohl von innerhalb des Gelenks, aber auch von außerhalb. Das war eine sehr umfangreiche Arbeit, aber ich hoffe, dass ich damit die orthopädisch-arthroskopische Welt ein kleines bisschen besser gemacht habe.

Insofern bleibt mir am Ende nur noch zu sagen, falls sein Kreuzband kaputt ist, wünsche ich Dir gute Besserung und gutes Genesen.

Hier gibt es mehr zur Arthroskopie für Patienten https://www.arthroskopie-verstehen.de/

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